Administrative und gerichtliche Gliederung

der Provinz Westpreußen


 

Administrative Gliederung

Unmittelbar nach der Angliederung Westpreußens an Preußen wurde in Marienwerder die Kriegs- und Domänenkammer nebst ihrer Unterbehörden eingerichtet (Königliches Patent vom 13. November 1772). Der Verwaltungsbezirk der Kammer bestand zunächst aus der vormaligen Wojewódschaft Marienburg einschließlich des Gebietes der Stadt Elbing, aus der Wojewódschaft und dem Bistum Kulm, sowie aus Pommerellen (zunächst noch ohne Danzig und Thorn). Dem Marienwerderschen Kammerbezirk wurden darüber hinaus noch die zuvor ostpreußischen Ämter Marienwerder und Riesenburg, sowie die Erbämter Schönberg und Deutsch Eylau mit den Städten Marienwerder und Garnsee, Riesenburg, Bischofswerder und Freystadt, Rosenberg und Deutsch Eylau zugeordnet. Nicht zum Kammerbezirk Marienwerder gehörte der Netzedistrikt, der unter gesonderte Verwaltung gestellt war.

Nach der Inbesitznahme von Danzig und Thorn im Jahre 1793 wurden auch diese beiden Städte und deren ländliche Territorien der Kammer in Marienwerder unterstellt. Durch Erlass vom 29. Juli 1807 wurden darüber hinaus noch die Teile des Netzedistrikts, die im Zuge der napoleonischen Umstrukturierung nicht an das Herzogtum Warschau abgetreten waren, namentlich das Gebiet der späteren Landkreise Flatow und Deutsch Krone, der Marienwerderschen Kammer zugewiesen. Der Kammerbezirk Marienwerder war in sieben landrätliche Kreise unterteilt:

 

  • der Kreis Marienburg umfasste die vormalige Wojewódschaft gleichen Namens mit Ausnahme des zu Danzig gehörenden Gebietes
     
  • der Kreis Kulm wurde durch den größeren westlichen Teil des sogenannten "Kulmer Landes" gebildet
     
  • der Kreis Michelau umfasste den kleineren östlichen Teil des "Kulmer Landes" und die Landschaft Michelau
     
  • der Kreis Konitz umfasste den oberen Teil von Pommerellen
     
  • der Kreis Stargard (anfänglich noch der Ober-Stargardsche Kreis genannt) wurde durch den mittleren Teil Pommerellens gebildet
     
  • der Kreis Dirschau (anfänglich noch der Nieder-Stargardsche Kreis genannt) wurde durch den unteren Teil Pommerellens (bis zur Ostsee) gebildet
     
  • der Kreis Marienwerder - zuvor zu Ostpreußen gehörend - war (bis an die Weichsel reichend) zwischen die Kreise Marienburg und Kulm eingeschoben
     

Im Zuge der Neuerrichtung der Provinz Westpreußen im Jahre 1815 wurden dann zwei Regierungsbezirke gebildet, denen mit Wirkung vom 1. April 1818 folgende Landkreise zugeordnet waren (vgl. dazu auch die Übersichtskarte zur Landkreiseinteilung):

 

1. Regierungsbezirk Danzig mit 8 Stadt- bzw. Landkreisen

 

  • Landkreis Berent, bestehend aus den Städten Berent und Schöneck, dem Intendanturamt Berent, dem Domänenamt Schöneck und den adligen Gütern.
     
  • Landkreis Danzig, bestehend aus dem gesamten bisherigen Danziger Territorium (unter Ausschluss der Halbinsel Hela), dem größeren Teil des Domänenamtes Sobbowitz und den dazwischen liegenden adligen Gütern.
     
  • Stadtkreis Danzig, bestehend aus der Stadt Danzig, ihren Vorstädten und der nächsten Umgebung. Die Orte des Stadtkreises Danzig, die nicht zum Kommunalgebiet der Stadt Danzig gehörten, wurden 1828 dem Landkreis Danzig zugeschlagen, der fortan das gesamte "platte Land" in sich vereinigte.
     
  • Landkreis Elbing, bestehend aus den Städten Elbing und Tolkemit, den vereinigten Intendaturämtern Elbing und Tolkemit, sowie den adligen Gütern Kadinen und Rehberg.
     
  • Landkreis Karthaus, bestehend aus dem Intendanturamt Karthaus-Mirchau und den adligen Gütern.
     
  • Landkreis Marienburg, bestehend aus den Städten Marienburg und Neuteich, dem Flecken Tiegenhof, dem Großen und dem Kleinen Marienburger Werder, dem Barenhofschen und dem Tiegenhofschen Gebiet, dem Scharpauer Bezirk und dem Gut Nenkau.
     
  • Landkreis Neustadt, bestehend aus den Städten Neustadt, Putzig und Hela, den Domänenämtern Brück, Putzig und Starzyn, sowie den adligen Gütern.
     
  • Landkreis Preußisch Stargard, bestehend aus den Städten Dirschau und Stargard, den Domänenämtern Subkau und Stargard, den Intendanturen Bordzichow und Pelplin, sowie den adligen Gütern.

 

2. Regierungsbezirk Marienwerder mit 13 Landkreisen

 

  • Landkreis Deutsch Krone, bestehend aus den Ämtern Schloppe und Lebehnke (einschließlich des früheren Amtes Schrotz), den Städten Deutsch Krone, Jastrow, Märkisch Friedland, Schloppe und Tütz, sowie 65 adligen Gütern.
     
  • Landkreis Flatow, bestehend aus dem Amt Kamin, den Städten Flatow, Kamin Krojanke, Vandsburg und Zempelburg, sowie 98 adligen Gütern.
     
  • Landkreis Graudenz, bestehend aus den Ämtern Engelsburg, Rehden und Roggenhausen, dem Intendanturamt Graudenz (ohne die dem Landkreis Schwetz zugewiesenen Ortschaften), den Städten Graudenz, Festung Graudenz, Lessen und Rehden, sowie 81 adligen Gütern.
     
  • Landkreis Konitz, bestehend aus den Ämtern Friedrichsbruch (ohne die dem Landkreis Schlochau zugewiesenen Ortschaften) und Tuchel, den Städten Konitz und Tuchel, sowie 159 adligen Gütern.
     
  • Landkreis Kulm, bestehend aus den Ämtern Kulm, Lippinken, Przydworsz und Unislaw, den Städten Briesen und Kulm, sowie 138 adligen Gütern.
     
  • Landkreis Löbau, bestehend aus den Ämtern Brattian, Löbau und Lonkorrek, den Städten Kauernik, Löbau und Neustadt, sowie 65 adligen Gütern.
     
  • Landkreis Marienwerder, bestehend aus der Intendantur Marienwerder, den Domänenämtern Mewe und Ostrowitt, die vormals zum Amt Neuenburg gehörigen Ortschaften Lalkau und Pienonczkowo, die Städte Garnsee, Marienwerder und Mewe, sowie 63 adligen Gütern.
     
  • Landkreis Rosenberg, bestehend aus der Intendantur Riesenburg (ohne die an den Landkreis Graudenz abgetretene Ortschaft Partenschin), die Städte Bischofswerder, Deutsch Eylau, Freystadt, Riesenburg und Rosenberg, sowie 97 adligen Gütern.
     
  • Landkreis Schlochau, bestehend der Intendantur Baldenburg, 31 Ortschaften des Amtes Friedrichsbruch und dem Amt Schlochau, den Städten Baldenburg, Hammerstein, Landeck, Preußisch Friedland und Schlochau, sowie 98 adligen Gütern.
     
  • Landkreis Schwetz, bestehend aus der Intendantur Schwetz, dem Amt Neuenburg (ohne Lalkau und Pienonczkowo) und sechs vormals zur Intendantur Graudenz gehörenden Ortschaften, den Städten Neuenburg und Schwetz, sowie 98 adligen Gütern.
     
  • Landkreis Strasburg, bestehend aus den Intendanturen Gollub und Lautenburg, dem Domänenamt Strasburg, den Städten Gollub, Gorzno, Lautenburg und Strasburg, sowie 92 adligen Gütern.
     
  • Landkreis Stuhm, bestehend aus der Intendantur Stuhm (nebst dem vormaligen Domänenamt Christburg), den Städten Christburg und Stuhm, sowie 63 adligen Gütern.
     
  • Landkreis Thorn, bestehend aus den Domänenämtern Brzezinko und Kulmsee, dem sogenannten "Neuen Gebiet", den Städten Kulmsee, Podgorz, Schönsee und Thorn, sowie 67 adligen Gütern. 

 

In der Zeit von 1873-1900 ergaben sich für die vorstehend aufgezeigten Kreisstrukturen noch folgende Veränderungen, die allerdings ohne Einfluss auf die Zuordnung zu den genannten Regierungsbezirken waren:

 

  • Durch Kabinettsorder vom 4. Dezember 1873 schied die Stadt Elbing aus dem Landkreis Elbing aus und bildete seither den Stadtkreis Elbing.
     
  • Durch Gesetz vom 25. März 1875 wurden aus dem Landkreis Konitz die Landkreise Konitz und Tuchel gebildet.
     
  • Durch Gesetz vom 6. Juni 1887 wurden folgende Landkreise neu gebildet:

    Landkreis Briesen (aus Teilen der Landkreise Graudenz, Kulm, Strasburg und Thorn)

    Landkreis Danziger Höhe (aus Teilen des bisherigen Landkreises Danzig)

    Landkreis Danziger Niederung (aus Teilen des bisherigen Landkreises Danzig)

    Landkreis Dirschau (aus Teilen des Landkreises Preußisch Stargard und des bisherigen Landkreises Danzig)

    Landkreise Neustadt und Putzig (aus dem bisherigen Landkreis Neustadt)
     
  • Im Jahre 1900 wurden die Stadtkreise Graudenz und Thorn gebildet.
     

 

Gerichtliche Gliederung

Die gerichtliche Gliederung der Provinz Westpreußen war vielfältigen Änderungen unterworfen und ist deshalb in komprimierter Form nicht präzise darstellbar (vgl. zu den Verhältnissen vor 1879 deshalb Max Bär, Die Behördenverfassung in Westpreußen seit der Ordenszeit, Danzig 1912).

Das oberste Gericht in der Provinz Westpreußen war das Oberlandesgericht in Marienwerder. Der Zuständigkeitsbereich des Oberlandesgerichtes war seit 1879 in fünf Landgerichtsbezirke unterteilt. Den Landgerichten waren wiederum eine bestimmte Anzahl von Amtsgerichten untergeordnet. Bei den Landgerichtsbezirken handelte es sich um:
 

  • das Landgericht Danzig mit den Amtsgerichten in Berent, Danzig, Dirschau, Karthaus, Neustadt, Preußisch Stargard, Putzig, Schöneck und Zoppot
     
  • das Landgericht Elbing mit den Amtsgerichten in Christburg, Elbing, Deutsch Eylau, Marienburg, Riesenburg, Rosenberg, Stuhm und Tiegenhof
     
  • das Landgericht Graudenz mit den Amtsgerichten in Graudenz, Marienwerder, Mewe, Neuenburg und Schwetz
     
  • das Landgericht Konitz mit den Amtsgerichten in Baldenburg, Flatow, Preußisch Friedland, Hammerstein, Konitz, Schlochau, Tuchel, Vandsburg und Zempelburg
     
  • das Landgericht Thorn mit den Amtsgerichten in Briesen, Gollub, Kulm, Kulmsee, Lautenburg, Löbau, Neumark, Strasburg und Thorn.
     

Die heutigen Lagerorte von Akten der Landgerichte sind weitgehend unbekannt. Akten der Amtsgerichte befinden sich in den staatlichen polnischen Archiven in Allenstein, Bromberg, Danzig, Elbing, Stettin und Thorn. Art und Umfang dieser Aktenbestände sind archivarisch und publizistisch nahezu unerschlossen, so dass verlässliche Aussagen über den Inhalt von überlieferten Beständen nicht möglich sind. Es ist sehr wahrscheinlich, dass weitere gerichtliche Aktenbestände (insbesondere auch der Landgerichte) erhalten geblieben sind und heute in regionalen polnischen Archiven und/oder bei den heute in Polen zuständigen Gerichten und Justizbehörden verwahrt werden. Es ist unbedingt erforderlich, dass individuell gewonnene Erkenntnisse über vorhandene gerichtliche Archivbestände in Polen gesammelt und den für die Provinz Westpreußen zuständigen genealogischen und historischen Vereinigungen bekannt gegeben werden, damit sichergestellt ist, dass diese Informationen in geeigneter Form allen genealogisch und historisch interessierten Forscherkreisen zur Verfügung gestellt werden.

 

Kenntnisse über die vorstehend in groben Zügen dargestellte administrative und gerichtliche Gliederung der Provinz Westpreußen sind eine wesentliche Voraussetzung, um archivierte behördliche Aktenbestände in den staatlichen deutschen und polnischen Archiven effektiv zu nutzen. Es entspricht einem grundlegenden Prinzip archivarischer Arbeit, Aktenbestände nicht nur in zeitgemäßer Abfolge, sondern auch unter konsequenter Einhaltung der jeweils zeitgemäß gültigen administrativen Strukturen zu verwahren. Es ist deshalb zweckmäßig, sich möglichst vor der Aufnahme von Forschungsarbeiten in staatlichen Archiven intensiv über die für den jeweiligen Forschungszeitraum maßgeblichen behördlichen Strukturen und Zuständigkeiten zu informieren.


Weiterführende Literatur:

Max Bär, Die Behördenverfassung in Westpreußen seit der Ordenszeit, Danzig 1912 (Reprint als Sonderschrift Nr. 62 des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen e. V., Hamburg 1989)
Peter Letkemann, Die preußische Verwaltung des Regierungsbezirks Danzig 1815-1870, Marburg/Lahn 1967
Horst Mies, Die preußische Verwaltung des Regierungsbezirks Marienwerder (1830-1870), Köln/Berlin 1972 (= Studien zur Geschichte Preußens, Band 17)