Zöllmann und Brosch aus Schönsee, Kreis Briesen
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#1 Zöllmann und Brosch aus Schönsee, Kreis Briesen
Von Catharina Faust - catharina_faust(at)yahoo(dot)de (30.09.2014, 10:25)
Liebe Mitforscher,
ich suche nach Familienangehörigen der Eheleute Karl Zöllmann und Henriette Brosch. Beide haben 1897 in Schönsee geheiratet. Ein Kind dieser Ehe ist mein Urgroßvater Wilhelm Paul Zöllmann.
Außerdem interessiert mich, ob es als Ergebnis des Versailler Vertrages 1920 zu Auswanderungen aus Westpreußen (z.B. in Richtung Rügen) kam und warum. Wurden die Westpreußen auch offiziell erfasst bei einer "Heimkehr" nach Deutschland?
Herzl. Grüße!
Catharina Faust
#2 Zöllmann und Brosch aus Schönsee, Kreis Briesen
Von Joachim von Roy (30.09.2014, 11:26)
Hallo Frau Faust,
nach dem Ersten Weltkrieg übersiedelten zahlreiche deutsche Familien - aus wirtschaftlichen Gründen (!) - aus dem polnisch gewordenen Teil Westpreußens (auch aus der ehemaligen Provinz Posen) in das Reich. Offiziell dürften sie in ihrer neuen Heimat nicht erfasst worden sein.
Freundliche Grüße vom Rhein
#3 Zöllmann und Brosch aus Schönsee, Kreis Briesen
Von Catharina Faust - catharina_faust(at)yahoo(dot)de (30.09.2014, 17:51)
Danke für die schnelle Antwort.
Viele Grüße!
C. Faust
#4 Zöllmann und Brosch aus Schönsee, Kreis Briesen
Von Reiner Redmann (30.09.2014, 18:25)
Guten Abend,
vielleicht hilft folgender Sachverhalt zum Verständnis weiter:
Meine Großeltern wurden 1895/1900 im Raum Bromberg als "Deutsche" geboren. Sie heirateten 1920 nach Abschluss des Versailler Vertrags im dann schon polnisch gewordenen Schulitz/Solec. Dort wurde auch ihr 1. Sohn geboren. Die Geburt des 2. Sohnes 1922 ist dann belegt durch einen Eintrag im Familienstammbuch, der im Lager Zittau-Großporitsch (Sachsen)vorgenommen wurde.
Aus dem Jahr 1923 liegt dann eine Einbürgerungsurkunde des preußischen Regierungspräsidenten in Arnsberg (Westfalen) vor, in der es heißt:
"Der polnische Staatsangehörige Zechenarbeiter FRIEDRICH EMIL R. in Eickel - ehemaliger Preuße - geb. am xx.yy.1895 in Nimtsch Kr. Bromberg, sowie seine Ehefrau KLARA JOHANNA geb. T. und das von ihm gesetzlich vertretene Kind HEINZ WERNER, geb. am xx.yy.1922 in Zittau haben mit dem Zeitpunkt der Aushändigung dieser Urkunde die Staatsangehörigkeit in Preußen durch Einbürgerung wiedererworben."
Ich nehme stark an, dass der oder ein wesentlicher Grund für diese Umsiedlung die Tatsache gewesen ist, dass meine Großeltern "unfreiwillig" ohne Umsiedlung polnische Staatsbürger geblieben wären. Wirtschaftliche Gründe mögen dabei auch eine Rolle gespielt haben.
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Reiner Redmann
#5 Zöllmann und Brosch aus Schönsee, Kreis Briesen
Von Peter Pankau - peter(dot)pankau(at)outlook(dot)com (30.09.2014, 21:50)
Die Frage der Staatsangehörigkeit war im Versailler Vertrag geregelt: www.versailler-vertrag.de - Artikel 91.
Die deutschen Reichsangehörigen, die ihren Wohnsitz in den Polen zuerkannten Gebieten haben, erwerben ohne weiteres die polnische Staatsangehörigkeit und verlieren die deutsche Reichsangehörigkeit.
Die deutschen Reichsangehörigen oder ihre Nachkommen, welche ihren Wohnsitz nach dem 1. Januar 1908 in diese Gebiete verlegt haben, können jedoch die polnische Staatsangehörigkeit nur mit besonderer Erlaubnis des polnischen Staates erwerben.
Während einer Frist von zwei Jahren nach Inkrafttreten des vorliegenden Vertrages dürfen die deutschen Reichsangehörigen von über 18 Jahren, die ihren Wohnsitz in einem der Polen zuerkannten Gebiete haben, für die deutsche Reichsangehörigkeit optieren.
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Alle Einwohner des neuen polnischen Staates wurden somit ohne ihr Zutun polnische Staatsbürger - es sei denn, sie optierten für Deutschland, wollten also deutsche Staatsbürger bleiben. Nach den späteren Bestimmungen des polnischen Staates hatten sie bis 1925 Polen zu verlassen.
@ H.Redmann: Ich nehme an, Ihre Großeltern haben nicht für Deutschland optiert, wurden polnische Staatsbürger und sind danach ausgereist.
Gruß aus Kiel von Peter Pankau
#6 Zöllmann und Brosch aus Schönsee, Kreis Briesen
Von Catharina Faust - catharina_faust(at)yahoo(dot)de (02.10.2014, 18:28)
Sehr geehrter Herr Redmann, sehr geehrter Herr Pankau,
Ihre Ausführungen waren für mich sehr interessant.
Vielen Dank!!!
Herzl. Grüße!
Catharina Faust
#7 Zöllmann und Brosch aus Schönsee, Kreis Briesen
Von Joachim von Roy (08.10.2014, 17:49)
Zu diesem - in diesem Forum wiederholt angesprochenen - Thema berichtet Prof. Dr. Bruno Schumacher in seinem Werk "Geschichte Ost- und Westpreussens", 7. Aufl., Würzburg 1987, S. 303, folgendes: "Vor allem setzte hier sofort mit der Besitzergreifung eine systematische und rücksichtslose Verdrängung der deutschen Bevölkerung ein, wobei die Grundsätze des Minderheitenschutzes, die ebenso im Versailler Vertrag wie in der polnischen Verfassung verankert waren, meist durch die Schaffung vollendeter Tatsachen wirkungslos gemacht wurden. Der Erfolg war denn auch bis 1930 die Abwanderung von fast drei Vierteln des eingesessenen Deutschtums; Am stärksten hat überall das städtische Deutschtum gelitten. Deshalb wirkte sich die Entdeutschung auch auf ländlichem Grund und Boden in dem ehemaligen Westpreußen und im Netzegebiet noch stärker aus als in Posen."
MfG
#8 Zöllmann und Brosch aus Schönsee, Kreis Briesen
Von Catharina Faust - catharina_faust(at)yahoo(dot)de (12.10.2014, 08:51)
Ein Dankeschön an Herrn Roy für die weiteren Erläuterungen.
HG
C. Faust
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