Deutsche Flüchtlinge in Dänemark



Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde etwa eine Viertelmillion Deutsche aus den Ostgebieten, vorwiegend aus Pommern, Danzig, Westpreußen und Ostpreußen, über die Ostsee - aus Pommern auch auf dem Landweg - nach Dänemark evakuiert. Die ersten Flüchtlinge trafen am 09.02.1945 in Kopenhagen ein. Nach der Ankunft wurden die Flüchtlinge zunächst in von den deutschen Besatzungsbehörden zu diesem Zweck beschlagnahmten Schulen, Sportanlagen, Hotels, Lagerhallen und teilweise auch in Privatunterkünften untergebracht. Eine konsequente Registrierung und administrativ geordnete Unterbringung und Versorgung ankommender Flüchtlinge war (zunächst) nicht gewährleistet. Die zum Teil bereits seit Wochen unterwegs gewesenen Flüchtlinge – vorwiegend ältere Menschen und Mütter mit Kindern - litten an Mangelernährung und medizinischer Unterversorgung. Besonders unter den Kleinkindern herrschte eine hohe Sterblichkeitsrate. Bis zur deutschen Kapitulation am 05.05.1945 verstarben nach offiziellen dänischen Angaben 6.580 deutsche Flüchtlinge in Dänemark, darunter 4.132 Kinder unter 15 Jahren. Als Todesursachen werden vorwiegend Unterernährung, Magen-Darm-Erkrankungen und Lungenentzündungen genannt. Für den Zeitraum vom 06.05.1945 bis 31.01.1946 sind weitere 7.161 Flüchtlingssterbefälle dokumentiert, darunter 3.727 Kinder.

Zum Zeitpunkt der Kapitulation befanden sich rund 550.000 Deutsche in Dänemark, was annähernd 14% der Gesamtbevölkerung entsprach. Neben den Flüchtlingen handelte es sich um rund 300.000 Soldaten, von denen rund 50.000 verwundet waren. Während die Soldaten Dänemark kurzfristig verlassen konnten, wurden die Flüchtlinge aus ursprünglich etwa 1.100 kleineren Lagern von den nunmehr zuständigen dänischen Behörden in bewachten Großlagern - in der Regel in ehemaligen Wehrmachtsunterkünften - untergebracht, weil die Alliierten eine Rückführung der Flüchtlinge nach Deutschland untersagt hatten. In den Lagern gab es eine staatlich beaufsichtigte Selbstverwaltung der Flüchtlinge und es wurden Schulen, Krankenhäuser, kirchliche und kulturelle Einrichtungen geschaffen. Eine Kontaktaufnahme zur einheimischen Bevölkerung war den Flüchtlingen allerdings verboten, um ihr Einleben in Dänemark zu verhindern. Im Verlaufe des Jahres 1946 wurde den Flüchtlingen im Rahmen der Familienzusammenführung zunächst eine Einreise in die Britische Besatzungszone erlaubt, ab 1947 war dann auch die Einreise in die übrigen Besatzungszonen möglich. Die letzten Flüchtlinge konnten Dänemark allerdings erst im Februar 1949 verlassen. Die offiziellen Flüchtlingszahlen stellen sich wie folgt dar:
 

08.05.1945           244.493 Personen
01.01.1946   199.028 Personen
01.01.1947   179.205 Personen
01.01.1948     66.518 Personen
01.01.1949       2.365 Personen

 
Recht aussagekräftige Zahlen bietet die dänische Volkszählung vom 15.08.1946. Danach hielten sich zu diesem Zeitpunkt 196.518 deutsche Flüchtlinge in Dänemark auf, nämlich 131.114 weibliche und 65.404 männliche Personen. Aus Ostpreußen kamen 113.997 Personen, aus Danzig 37.294 Personen, aus Pommern 24.307 Personen und aus anderen Gebieten 20.920 Personen. Die Altersstruktur stellte sich wie folgt dar:
 

  unter 5 Jahren           12.558 Personen
  5 bis 14 Jahre   55.000 Personen
15 bis 24 Jahre   31.371 Personen
25 bis 44 Jahre   43.750 Personen
45 bis 64 Jahre   39.407 Personen
65 bis 84 Jahre   14.218 Personen
  über 84 Jahre        214 Personen

 

Trotz dieser bemerkenswerten Zahlen haben die nach Dänemark gelangten Flüchtlinge in der historischen und genealogischen Forschung bisher nur wenig Beachtung gefunden. Ich habe deshalb eine Datenbank für deutsche Flüchtlinge in Dänemark eingerichtet. In diese Datenbank werden Angaben zu Personen eingestellt, die es im Zuge der Kriegsereignisse im Jahre 1945 nach Dänemark verschlagen hat. Ausgewertet werden die erreichbarer Flüchtlingskirchenbücher (Registreringsprotokol for Flygtninge) in Dänemark, die Kirchenbücher dänischer Kirchengemeinden, die Heimatortskartei Danzig-Westpreußen und die vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. über die Gräbersuche dokumentierten Kriegsgräberstätten in Dänemark, auf denen Flüchtlinge bestattet sind. Darüber hinaus nehme ich selbstverständlich auch Informationen über deutsche Flüchtlinge auf, die mir aus Forscherkreisen zur Ergänzung und Vervollständigung zur Verfügung gestellt werden.


 

 

 



Nach den Zahlenangaben des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. sind auf den 36 Kriegsgräberstätten in Dänemark 24.930 deutsche Personen bestattet, die im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges in Dänemark verstorben oder anderweitig zu Tode gekommen sind. Es handelt sich um 14.853 Flüchtlinge und 10.077 Soldaten. Leider gehen die dazu beim Volksbund online verfügbaren Informationen über die Geburts- und Lebensdaten der Verstorbenen nur selten hinaus. Verschiedene Stichproben durch Heranziehung dänischer Kirchenbücher haben gezeigt, dass sich verfügbare Informationen über in Dänemark verstorbene Personen durch eine systematische Kirchenbuchauswertung erheblich erweitern lassen. Es erscheint mir zweckmäßig, die auf diesem Wege gewonnenen Informationen gesondert in einer Friedhofsdatenbank zu sammeln und online verfügbar zu machen. Die mir unabhängig davon nahezu vollständig vorliegenden Bestandsdaten über kriegsbedingte Sterbefälle in Dänemark werde ich im Zuge der Bearbeitung ebenfalls in die Friedhofsdatenbank einpflegen.


 

 

 



Weiterführende Literatur:

Karl-Georg Mix, Deutsche Flüchtlinge in Dänemark 1945 - 1949, Stuttgart 2005;

Henrik Havrehed, De tyske flygtninge i Danmark 1945 - 1949, 2. Auflage, Odense 1987 (deutsche Fassung: Die deutschen Flüchtlinge in Dänemark, Heide 1989);

Arne Gammelgaard, Ungeladene Gäste. Ostdeutsche Flüchtlinge in Dänemark 1945 - 1949, Leer 1985;

Arne Gammelgaard, Drivtømmer. Tyske flygtninge i Danmark 1945 - 1949, Varde 1993 (deutsche Fassung: Treibholz. Deutsche Flüchtlinge in Dänemark 1945 - 1949, Varde 1993);

Arne Gammelgaard, På Hitlers befaling. Tyske flygtninge i Danmark 1945 - 1949, Varde 2005 (deutsche Fassung: Auf Führerbefehl in Dänemark. Deutsche Flüchtlinge 1945 - 1949, Varde 2005);

Leif Guldmann Ipsen, Menschen hinter Stacheldraht. Flüchtlingslager in Oksbøl 1945 - 1949, Blåvandshuk Egnsmuseum, 2002;

Hanns Krannhals: Die Evakuierung deutscher Flüchtlinge nach Dänemark (Januar - Mai 1945), in: Deutsche Studien. Vierteljahreshefte für vergleichende Gegenwartskunde 6 (1968), S. 373 – 384;

Annette Jakobsen, Hvis suk var luftballoner..., Norderstedt, 2011 (deutsche Fassung: Wenn Seufzer Luftballons wären ..., Norderstedt, 2011);

Fritz Petrick: Deutsche Flüchtlinge in Dänemark Februar 1945 - Februar 1949, in: Hanns Krannhals (Hrsg.), Kapitulation und Befreiung. Das Ende des II. Weltkriegs in Europa, Münster 1997, S. 51 – 61;

Kirsten Lylloff, Kan lægeløftet gradbøjes? Dødsfald blandt og lægehjælp til de tyske flygtninge i Danmark 1945, in: Historisk Tidsskrift 99 (1999), S. 33 – 68 - Download

Kirsten Lylloff, Barn eller fjende? Uledsagede tyske flygtningsbørn i Danmark 1945-1949. Diss., København, 2007;

Michael Schultheiss, Ob man an die kleinen Kinder gedacht hat ...? Die Verhandlungen über medizinische Hilfe für deutsche Flüchtlinge in Dänemark am Ende des Zweiten Weltkriegs, in: NORDEUROPAforum 19 (2009:2), S. 37 – 59 - Download

Leif Hansen Nielsen, Todesfälle unter deutschen Flüchtlingen in Nordschleswig 1945 - 1947 in: Grenzfriedenshefte 1/2013, S. 11 – 26 - Download

Heinz Schön, Flucht über die Ostsee 1944/45 im Bild, Stuttgart 1995

FLUGT – Refugee Museum of Denmark

Tyske krigsflygtninge 1945-1947